Aufputschmittel auf Norwegisch

Von Sommer- und Schneeeinbrüchen

Nach gefühlten zwei und echten fünf Stunden Schlaf klopft es schon wieder an der Kabinentür- der Skipper ist aufgedreht angesichts des guten Wetters und nach fünf Minuten Morgenmuffelei bin ich auch ich froh, bereits wach zu sein. Das Wetter ist der Wahnsinn. Zwar noch ziemlich kalt, selbst in der Sonne, aber heute war den ganzen Tag über keine einzige Wolke zu sehen. Null. Bald gehen wir Anker auf um die letzten zwei Meilen zum Trollfjord zurückzulegen. Ich bin, während ich am Steier stehe, schon wieder auf der Suche nach Superlativen, um die Landschaft zu beschrieben. Irgendwie aussichtslos, je weiter wir kommen, desto spektakulärer wird die Landschaft, auch wenn man jedes Mal denkt „besser geht nicht!“.
Die Einfahrt in den Trollfjord ist so ein Fall. Zu beiden Seiten der 50 Meter breiten Einfahrt ragen etwa 1000 Meter Fels steil in die Höhe. Nach wenigen hundert Metern öffnet sich die Schlucht in einen großen Talkessel, der am Rand von flachen Steigungen begrenzt wird. Einziges Zeichen von Zivilisation ist das kleine Wasserkraftwerk, an dessen komfortablem Steg zum Festmachen ausdrücklich eingeladen wird- norwegische Gastfreundschaft eben. Auf der Karte, welche an der Station aushängt, ist der Weg zur Trollfjordhütte beschrieben. „Da vorne hoch, dann links halten und etwa in die Richtung des Fjords, aus dem wir gekommen sind- ist ja easy!“- naja, fast. Der Beginn des Weges, den übrigens schon Kaiser Wilhelm II. beschritten hat, ist eindeutig beschildert. Doch schon nach wenigen Metern schaue ich Micha fragend an: „sollen wir etwa auf der Wasserleitung vom Stausee auf den Berg dort hochbalancieren?“ Offensichtlich! So machen wir zwei geborenen Akrobaten uns auf den Weg, um dann irgendwann von der Pipeline in ein Schneefeld abzubiegen. Hätten wir mal mehr Fisch und weniger Sahnesoße gegessen. Ohne Schneeschuhe keine Chance, wir stehen zeitweise bis zur Hüfte im durchweichten und unterhöhlten Schnee und mit den Füßen im darunter liegenden Schmelzwasser.
Strategiewechsel. Wir suchen uns einen Abschnitt am Felsen, der nicht von Schnee bedeckt ist und stapfen mit Wein und Brotzeit im Gepäck fleißig nach oben. Klappt besser, wir finden nach einiger Kraxelei unseren Naturbalkon und genießen den Ausblick bei dem unglaublichen Wetter.
Zurück an Bord bekommen wir bald noch Besuch von drei Norwegern, die über das Wochenende hier zelten um tagsüber mit Steigeisen und Eispickeln die umliegenden Gletscher und Schneefelder zu besteigen und mit Skiern zu befahren. Spektakuläre Bilder von den Bergspitzen werden uns gezeigt, wir versorgen die Camper mit warmen Getränken. Plötzlich ist es schon wieder 23 Uhr, die Jungs müssen in die Koje um morgen vor der Mittagssonne auf den Schneefeldern zu sein und entdecken beim Aufbruch, dass ihre offensichtlich nicht bei Hochwasser aufgebauten Zelte von der Tide eingeholt werden. Gut, dass unser zu Hause damit kein Problem hat.

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